„Zoom Fatigue“ – Die Ermüdung durch virtuelle Meetings

Führung im New Normal

Die Corona-Pandemie hat auch die letzten Unternehmen ins digitale Zeitalter katapultiert. Schreibtischarbeit macht Homeoffice leicht möglich – und Deutschland ist eine Büronation. Virtuelle Meetings gehören zur Tagesordnung und sind mittlerweile Routine. Die Vorteile sind vielfältig.

Auch in der Weiterbildung sind Präsenzformate größtenteils abgesagt oder auf unbestimmte Zeit ins nächste Jahr verschoben. An vielen Stellen wurden die Trainingsangebote auf Online umgestellt. Sei es in Form von Live-Online-Formaten oder auch E-Learning-Angeboten. Eine gute Alternative zum klassischen und aktuell schwer durchführbaren Präsenztraining, die uns auch – davon sind wir überzeugt – nach der Pandemie weiter begleiten und weiterentwickelt wird.

Doch mit der Zeit bekommen wir auch die Schattenseiten der virtuellen Welt zu spüren. Erst langsam erkennen wir, wie wichtig die persönlichen und informellen Kontakte in einem Unternehmen sind. Menschen leben von Interaktion. Und ein weiteres Phänomen tritt ein, was unter dem passenden Begriff „Zoom-Fatigue“ in unserem Alltag Platz einnimmt.

Online-Müdigkeit

9:00 Uhr Teams-Meeting mit Kollegen, 11:00 Uhr Skype-Konferenz mit einem Kunden und um 14:00 Uhr ein Live-Online-Training per Zoom. Der Nachmittag ist oft genauso vollgestopft mit virtuellen Meetings.

Die intensive Nutzung von Videokonferenztools führt zu einer anderen Art von Müdigkeit und sogar Erschöpfung als Präsenztermine. Zoom-Fatigue wird das Phänomen genannt. Zoom ist ein beliebtes Tool für virtuelle Meetings und das französische Wort fatigue bedeutet ins Deutsche übersetzt Müdigkeit oder Erschöpfung. Die Wortkombination Zoom Fatigue steht also für die Müdigkeit von Menschen, die ausgelöst wird durch virtuelle Meetings.

Eine Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen fand dies heraus. Die Studie basiert auf einer Befragung im Spätsommer und Herbst in diesem Jahr über verschiedene gängige Social-Media-Kanäle. Es war die erste wissenschaftliche Untersuchung über die Onlinemüdigkeit im deutschsprachigen Raum.

In der Befragung ging es darum, wie sich „Zoom-Fatigue“ bemerkbar macht, was konkret belastet und was hilft, die Belastung zu reduzieren. Rund 60 Prozent der Befragten bestätigten, dass sich bei ihnen eine Onlinemüdigkeit bemerkbar macht, 77 Prozent sagten manchmal und nur 8 Prozent selten. Zoom Fatigue ist damit ein Thema für Menschen, die häufig an virtuellen Meetings teilnehmen. Die Konzentration sinkt, die Ungeduld steigt und eine Art Genervt-Sein folgt. Die Studienteilnehmer nennen aber auch physische Auswirkungen, wie zum Beispiel Kopf- und Rückenschmerzen.

Was sind die Gründe für die Erschöpfung durch virtuelle Meetings?

Visuelle Wahrnehmung

Bei virtuellen Meetings blicken wir in eine Kamera, damit sich die anderen Personen angesehen fühlen. Dadurch können wir der anderen Person beim Sprechen nicht in die Augen sehen, wie wir es in einer Unterhaltung sonst tun würden. Bei einem Gespräch über die Kamera kommt es also zu folgender Situation: Blickkontakt für den anderen bedeutet, selbst keinen direkten Blickkontakt haben zu können – paradox! Die fehlende Wahrnehmung von Körpersprache und Mikroexpressionen kommen noch hinzu. Je größer die Teilnehmerzahl, desto schwieriger sich auf alle Personen gleichermaßen zu konzentrieren. Die anderen Teilnehmer werden überhaupt nicht oder nur klein am Bildschirmrand gezeigt. Deshalb können die anderen deren Körpersprache nicht interpretieren. Nonverbale Konversation ist ein wichtiges Element in der Kommunikation, denn auch ohne Worte reden Menschen, indem sie mit Gestik und Mimik auf das Gesagte von anderen reagieren.

Ein weiteres Phänomen, dass durch die Funktionsweise der Online-Konferenztools auftritt, ist, dass wir uns sehr auf unser eigenes Bild fokussieren. Wir sehen, wie die anderen uns sehen. Wir sind damit viel bedachter auf jede Bewegung, jede Mimik. Das Bild, was wir von uns selbst sehen, kann mit den Vorstellungen, wie uns andere wahrnehmen kollidieren.

Entspannung durch Ablenkung

Was wir in Präsenzterminen leben können – die Aufmerksamkeit für kurze Momente abwenden, durch einen Blick aus dem Fenster oder auf andere Teilnehmer – hat in Live-Online-Terminen eine ganz andere Wirkung. Wenden wir den Blick vom Bildschirm und damit auch von der Kamera ab, hat das eine deutlich negativere Wirkung. Wir fühlen uns stärker unter Beobachtung.

Auf der anderen Seite fällt es tatsächlich schwerer die Aufmerksamkeit konstant auf einen Bildschirm zu richten. Hier ist es eine enorme Leistung seitens des Trainers dafür zu sorgen, dass alle Teilnehmer an Bord bleiben.

Technische Herausforderungen

Die Tonqualität ist häufig nicht gleichbleibend gut, einzelne Worte oder Sätze gehen verloren. Das erfordert Konzentration und ein besonders aktives Zuhören. Auch die Bildqualität ist nicht konstant gut. Wir sehen unser gegenüber stark verpixelt oder unser eigenes Bild wir in keiner guten Auflösung übertragen. Die Fragen nach der Internetverbindung häufen sich und frustrieren. Die Latenz der Übertragung erschwert die Kommunikation. Wir fallen uns gegenseitig unbeabsichtigt ins Wort.

Was hilft gegen Zoom-Fatigue in virtuellen Meetings?

Je nach Länge der Session, sind aktive Pausen wichtig. Es empfiehlt sich, immer wieder kurze Pausen von 10-15 Minuten einzufügen, so dass die Teilnehmer mental abschalten und sich bewegen können. Dabei ist es ratsam die Kamera und den Ton auszuschalten und beides erst nach der Pause wieder einzuschalten.

Ich empfehle grundsätzlich die Dauer eines Online-Trainings zu minimieren. Präsenztrainings lassen sich nicht eins zu eins online reproduzieren. Es ist deutlich wirksamer, aus einem ganztägigen Training mehrere Online-Sessions à 2 Stunden zu machen. Insgesamt sollte die Frequenz von Online-Terminen limitieren werden – egal ob Training, Kunden-Gespräch oder ein Team-Meeting. Bei diesem Punkt sind sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiter für sich gefordert. Das Unternehmen sollte weniger Meetings anberaumen und die Mitarbeiter sollten darauf achten, dass sie nur wirklich notwendige Termine annehmen. Vermutlich muss nicht jeder Mitarbeiter an jedem Online-Meeting teilnehmen. Alternativ kann man auch auf Video-Meetings verzichten, wenn die Kommunikation auch per Telefonkonferenz oder Telefonat möglich ist.

In den Sessions selbst ist es für alle Beteiligten hilfreich, wenn äußere Störfaktoren minimiert werden. Laufen die Kinder im Hintergrund durch die Gegend, ist nicht nur der Betroffene selbst abgelenkt, auch die anderen Teilnehmer werden abgelenkt. Möglichst ruhige Räume besser, in die sich zurückziehen und konzentriert sein können.

Jeder Teilnehmer muss auf sich selbst achten: Die richtige Sitzposition wählen, etwas zu trinken bereitstellen, den Raum lüften.

Und zuletzt: Digital detox – der Verzicht auf einen permanenten Medienkonsum, Erreichbarkeit, Push-Nachrichten.

Fazit

Zoom-Fatigue wird nicht mehr verschwinden. Das Arbeiten aus dem Home-Office wird auch nach überstandener Corona-Krise nicht deutlich weniger. Viele Unternehmen, die sich zuvor mit dem Thema schwergetan haben, sehen mittlerweile die Vorteile. Gleiches gilt für unser verändertes Mobilitätsverhalten. Geschäftsreisen werden auch weiterhin weniger häufiger stattfinden als bislang und teures und zeitaufwendiges Reisen durch Videokonferenzen ersetzt. Daher sollten Unternehmer und auch Trainer Standards für virtuelle Meetings und Online-Sessions entwickeln. Das bezieht sich auf die Länge, die Häufigkeit, die Anzahl der Pausen etc.

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