Die Änderungen unserer Zeit, die die gesamte Gesellschaft betreffen, führen dazu, dass Unternehmen und Organisationen sich mit bisher unbekannten Problemen konfrontiert sehen. Für die neuen Herausforderungen – das Schlüsselwort VUKA, insbesondere die aktuelle Corona-Krise – müssen sich Organisationen immer an die dauerhaften Auswirkungen der veränderten Umwelt anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Druck dieser Transformation ist derzeit deutlich zu spüren. Berufe mit organisatorischem Lernen erhalten daher jetzt besondere Aufmerksamkeit, da Wissen mehr denn je ein organisatorischer Erfolgsfaktor ist.
Lernende Organisationen befinden sich in einem kontinuierlichen Lernprozess. Sie sind in der Lage sich selbst und ihr Verhalten zu hinterfragen und sich aus den resultierenden Antworten weiterzuentwickeln.
Was ist eine lernende Organisation?
Eine einheitliche Definition des Begriffs „lernende Organisation“ gibt es in der einschlägigen Literatur nicht, aber darunter wird im Allgemeinen eine anpassungsfähige, auf äußere und innere Reize reagierende Organisation verstanden, die sich kontinuierlich weiterentwickelt. Wandel ist in der lernenden Organisation demnach nichts Außergewöhnliches, sondern der Normalfall und ständig an der Tagesordnung. Ziel der lernenden Organisation ist es, das Lern- und Wissenspotenzial der Mitarbeiter (und damit der gesamten Organisation) zu vergrößern, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. Das Konzept ist wissens- und innovationsorientiert. Deshalb spielen das Wissensmanagement und das Innovationsmanagement hier eine große Rolle.
Die Fähigkeit zur Veränderung ist entscheidend für den Erfolg von Organisationen. Die beiden Merkmale dieses Erfolgskriteriums sind hier gleich wichtig. Ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit fördert einerseits den dauerhaften Erfolg. Wer schnell und zielgerichtet reagieren und ernsthaft mit den sich ständig ändernden Zeiten umgehen kann, hat die besten Überlebenschancen auf dem Markt. Andererseits spielt auch die Innovationsfähigkeit eine zentrale Rolle. Wir müssen Veränderungen fördern und nach neuen Innovationszielen streben, um zukunftsorientiert und schrittweise handeln zu können. Das Konzept der lernenden Organisation bietet einen nachhaltigen Weg für innovative und anpassungsfähige Unternehmen.
Dieser Begriff wurde von Peter M. Senge bereits in den 1990er Jahren geprägt und beschreibt fünf Disziplinen lernender Organisationen. Senge glaubt, dass Wissen in Organisationen durch innere und äußere Faktoren angehäuft wird. Wenn sich Mitglieder einer Organisation darauf beschränken, nur aus Ihrer eigenen Erfahrung zu lernen, stellt dies ein Lernhemmnis dar, da dadurch neue Einflüsse von außen außer Acht gelassen werden. Diese Lernbarrieren müssen Organisationen überwinden.
Wie lernt eine Organisation?
Nur wenn die Mitglieder einer Organisation über die erforderlichen Fähigkeiten und Motivation verfügen und diese einsetzen, können sie sich weiterentwickeln. Jeder Mitarbeiter trägt mit seiner persönlichen Einstellung zum Lernverhalten des Unternehmens bei. Kompetente und lernbereite Mitarbeiter allein bilden keine lernende Organisation. Damit Mitglieder einer Organisation ihre Fähigkeiten aktiv einbringen können, sind bestimmte Strukturen erforderlich, die das Lernen fördern.
Was sind die Vorteile einer lernenden Organisation?
Einerseits kann ein anpassungsfähiges Unternehmen auch unter unerwarteten Umständen noch Maßnahmen ergreifen und handlungsfähig bleiben. Dies sichert das Überleben des Unternehmens in Krisenzeiten. Andererseits können Mitglieder der Organisation durch die Umsetzung dieses Konzepts ermutigt werden, ihr Engagement für den Erfolg des Unternehmens zu nutzen und innovative Ideen vorzuschlagen. Ein hohes Maß an Innovation ermöglicht es Unternehmen, den Markt aktiv zu gestalten und als treibende Kraft zu wirken.
Wie wird das Konzept der lernenden Organisation umgesetzt?
Strukturelle Rahmenbedingungen sind die Voraussetzung und bis zu einem gewissen Grad die Grundlage, damit die Mitglieder einer Organisation lernbezogene Fähigkeiten entwickeln und so die Entwicklung des Unternehmens positiv beeinflussen können. Eine offene Feedback-Kultur ermöglicht es den Mitgliedern, ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln, beispielsweise indem sie ihren Entwicklungsstand verstehen. Durch transparentes Fehlermanagement können Mitarbeiter ihre Fehler offen beheben und daraus lernen. Durch die Kommunikation von Strategie und Vision können Mitglieder der Organisation ihre Handlungen an ihnen ausrichten und so zur Erreichung des Gesamtziels beitragen.
Senge beschreibt fünf Disziplinen, die für die Entwicklung einer lernenden Organisation notwendig sind:
Personal Mastery
Personal Mastery beschreibt die Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung. Sie umfasst den Prozess des lebenslangen Lernens in Bezug auf persönliche Ziele und Visionen, persönliches Wachstum und kreative Lebensansichten. Mitarbeiter mit einer starken Ausprägung der Personal Mastery gelten als anpassungsfähig und engagiert, mit hoher Verbundenheit zum Unternehmen und ihrer Arbeit. Sie lernen aktiv und schnell. Sie sind die Eckpfeiler einer lernenden Organisation.
Mentale Modelle
Mentale Modelle sind explizite und implizite Grundannahmen von Mitarbeitern. Unsere Gedanken über Zustände, Situation und die Realität entsprechen nicht unbedingt den Gedanken anderer. Mentale Modelle beschreiben Glaubenssätze, die in unserem Unterbewusstsein verankert sind und unsere Handlungsfähigkeit beeinträchtigen können. Daher ist es wichtig, sie zu entdecken, zu hinterfragen und gemeinsam zu ändern. Im Zentrum steht dabei die Offenheit, um konstruktiv und fair auf neue Dinge zu stoßen, die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen, konstruktiv mit unterschiedlichen Ansichten und Flexibilität umgehen zu können, um sich schnell und vollständig an das eigene Verhalten anpassen zu können .
Gemeinsame Vision
Um die Verpflichtungen aller Mitarbeiter und Führungskräfte auf die gemeinsamen Unternehmensziele auszurichten, ist eine gemeinsame Vision wichtig. Sie ermöglicht es den Menschen, sich selbst zu übertreffen. Neben klaren und realisierbaren Ziele, ist die Verpflichtungen der Mitarbeiter ebenso von Bedeutung. Das Wohlergehen des Unternehmens sollte immer die Grundlage des Handelns sein. Zusätzlich sollte das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen berücksichtigt werden, um den Erfolg des Unternehmens durch die Umsetzung der Vision zu erreichen.
Team-Lernen
Beim Team-Lernen geht es um die Entwicklung von Wissen in funktionsübergreifenden und heterogenen Teams und Gruppen, deren Qualität über die des individuellen Wissens hinausgeht. Daraus folgt, dass die Leistung eines Teams die eines einzelnen Mitglieds übertreffen kann. Das Team kann jedoch nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sich die Arbeitspartner gegenseitig unterstützen und eine echte Kommunikation leben. Dies beinhaltet die Einrichtung effektiver Informationsprozesse und die Nutzung des Fachwissens jedes Teammitglieds. Eine offene und gezielte Kommunikation ist ebenso wichtig wie eine uneingeschränkte Zusammenarbeit.
Systemdenken
Das Systemdenken verbindet alle Disziplinen miteinander und spielt daher eine übergeordnete Rolle in lernenden Organisationen. Es ist notwendig, die Gesamtbeziehung und Interaktion in einer Organisation zu verstehen und das Potenzial für Veränderungen zu erkennen, damit eine informierte, zukunftsorientierte Strategie formuliert werden kann. Um komplexe Fragen zu klären und den Veränderungsprozess anzuregen, ist sowohl ein strukturierter als auch zielgerichteter Ansatz erforderlich. Unter Berücksichtigung der Marktentwicklung und der Kundeninteressen können Sie innovative Ansätze aufzeigen und verfolgen.
Von der Idee zur Innovation
Das Konzept der lernenden Organisation stellt ein außergewöhnliches Instrument für die Organisationsentwicklung dar. Es beschreibt, wie das Leben der Organisation grundlegend optimiert werden kann, indem die Fähigkeit und Lernmotivation der Mitarbeiter verbessert und ein struktureller Rahmen so weit wie möglich aufgebaut wird. Auf diese Weise werden gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens verbessert. Die Weiterentwicklung dieser beiden Aspekte der Veränderungsfähigkeit kann die Erfolgschancen des Unternehmens erheblich erhöhen. Das Konzept der lernenden Organisation hat ein grundlegendes Umdenken im Organisationsdesign ausgelöst und stellt eine wichtige Innovation in diesem Bereich dar.
Organisatorische Aufgaben in einer lernenden Organisation
Ein korrektes Verständnis der Organisation in Bezug auf die lernende Organisation ist sehr wichtig. Die Einführung von Trainingsprogrammen ist von großer Bedeutung, um die Entwicklung lernender Organisationen zu fördern. Darüber hinaus ist es wichtig, die Organisation als einen End-to-End-Prozess, als Lerneinheit und als Unterstützer und Moderator des Lernens zu betrachten, um die Wissensübertragung, das Lernen nachhaltig gestalten zu können.
Die Organisation als Unterstützer und Moderator des Lernens
Lernende Organisationen bieten Mitarbeitern nicht nur die Möglichkeit, an Trainings- und Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen, die außerhalb des Arbeitsplatzes stattfinden. Vielmehr verbindet es den Arbeitsplatz und die damit verbundenen Aktivitäten mit kontinuierlichem bewusstem und unbewusstem Lernen. Dabei spielen folgende Aspekte eine bedeutende Rolle:
- Unternehmenskultur: Eine lernende Organisation lebt eine Kultur, die Mitarbeiter dazu ermutigt, innerhalb der Organisation zu lernen und Wissen auszutauschen.
- Führung: Führung und Kultur sind voneinander abhängig. Wenn die Führungskraft nicht bereit ist, Mitarbeiter zu motivieren, wird eine förderliche Unternehmenskultur scheitern. Die Führungskräfte eines Unternehmens müssen den Mitarbeitern Freiräume und technischen Möglichkeiten bieten, die zum Lernen und Teilen von Wissen erforderlich sind.
- Technologie: Damit Mitarbeiter stets die richtigen Informationen und Kenntnisse zur Verfügung haben und ihr eigenes Wissen speichern und weitergeben können, müssen lernende Organisationen geeignete Technologien bereitstellen.
Die Organisation als Lerneinheit
Die Organisation als Lerneinheit beschreibt die Bedeutung des individuellen Lernens für das Unternehmen selbst. Zwar lernen Mitarbeiter als Einzelpersonen, aber für eine lernende Organisation ist es wichtig, dass das Wissen, über das sie bereits verfügen oder welches sie gesammelt haben, für jeden Mitarbeiter in der Organisation gespeichert und zugänglich ist. Der Zweck der Organisation besteht nicht nur darin, das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter zu erweitern, sondern auch das des gesamten Unternehmens.
Eine lernende Organisation ist ein End-to-End-Prozess
Der mit lernenden Organisationen verbundene End-to-End-Prozess sieht vor, dass einzelne Mitarbeiter keine Wissensinseln bilden, sondern auch lernen, die Aufgaben ihrer jeweiligen Teammitglieder zu übernehmen. Auf diese Weise kann die Organisation ihre interne Agilität und externe Flexibilität erhöhen. Zum Beispiel wird der Prozess mit Kunden oder Dienstleistern im Falle von Krankheit oder kündigungsbedingten Fehlen nicht gestoppt.
Wie können Sie eine lernende Organisation aufbauen?
Die folgenden Punkte sollten Sie beim Aufbau einer lernenden Organisation beachten:
- Es müssen Hauptverantwortliche bestimmt werden, die für die Entwicklung der lernenden Organisation verantwortlich sind. Die lernende Organisation besteht aus verschiedenen Bereichen: Technologie, Organisationsdesign und Organisationskultur müssen als Gesamtdimensionen miteinander verbunden werden. Mit Unterstützung des Managements muss jemand dafür verantwortlich sein.
- Das Konzept einer lernenden Organisation klingt gut. Aber um den Erfolg sicherzustellen, muss sie ein klares Ziel definieren. So können Sie auch das bereits vorhandene Wissen in der Organisation bewerten.
- Das Management muss Initiator sein. Ohne die uneingeschränkte Anstrengung der Führungskräfte wird die lernende Organisation scheitern.
- Was ist erforderlich, um die Ziele einer lernenden Organisation zu erreichen und welche Änderungen müssen vorgenommen werden? Diese Fragen sollten Sie sich in Ihrer strategischen Planung beantworten.
- Die Unternehmenskultur muss im Kontext des Ziels definiert werden. Betrachten Sie dazu Ihre bisherige Unternehmenskultur. Was zeichnet sie aus und was nicht?
- Bauen Sie ein internes Netzwerk auf, um Spannungsverhältnisse zu erzeugen. Sie bilden die Grundlage für Kreativität. Wichtig hierbei ist, dass die Schaffung eines internen Netzwerks durch die traditionelle Denkweise in einer hierarchischen Struktur nicht verhindert wird. Daher wirkt sich der Aufbau eines internen Netzwerks auf das gesamte Organisationsdesign aus.
- Externe Netzwerke sind eine unerschöpfliche Informations- und Wissensquellen und sollten systematisch als Teil der lernenden Organisation verwendet werden (z. B. in Form von Weiterbildungspartnern und Learning-Labs).